Anpassung der Elternentgelte – Stellungnahme der SPD-Gemeinderatsfraktion

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber liebe Eltern!

Wenn die SPD heute der neuen Entgelttabelle für Kinderbetreuung in Esslingen zustimmen wird,
dann tut sie dies weder leichtfertig noch mit leichtem Herzen. Wir tun dies auch nicht, ohne uns mit
Ihren Argumenten, liebe Eltern, auseinandergesetzt zu haben. Gerne greife ich Ihre drei häufig
geäußerten Hauptargumente auf und beantworte diese wie folgt.

Argument 1: Bezieher unterer Einkommen bis 50.000 Euro erfahren einen überdurchschnittlich
starken Anstieg und werden über Gebühr zusätzlich belastet.

Unsere Antwort: Ja, auf dem Papier bzw. beim Vergleich der Entgelttabellen ist bzw. scheint das so.
Doch muss man in diesem Zusammenhang wissen, dass es umfangreiche staatliche Hilfen für
Menschen mit geringem Einkommen gibt. Insbesondere Wohngeldberechtigte müssen entweder
keinen oder nur einen stark reduzierten Eigenanteil an den Kinderbetreuungskosten tragen. Wichtig
dabei: Mit der ab 1. Januar 2023 greifenden Wohngeldreform kommen künftig deutlich mehr
Menschen in den Genuss einer Wohngeldberechtigung – ab dann auch Menschen die fast 50.000
Euro im Jahr verdienen. Scheuen Sie sich nicht, diesen Anspruch geltend zu machen.

Argument 2: Die Stadt saniert mit den erhöhten Elternbeiträgen ihren Haushalt bzw. stopft
Haushaltslöcher an anderer Stelle.

Unsere Antwort: Nein, das stimmt absolut nicht. Allein ein Blick auf den Kostendeckungsgrad von
gerade einmal 11 % für Kinderbetreuung entzieht diesem Argument jegliche Basis. Dieser Sektor
einer kommunalen Pflichtaufgabe ist auch mit erhöhten Elternentgelten weiterhin sehr defizitär und
muss seinerseits durch Erlöse an anderer Stelle mitfinanziert werden. Die heute zur Entscheidung
anstehende Entgeltanpassung macht das Defizit in diesem Sektor kleiner, stopft aber keine Defizite
an anderer Stelle.

Argument 3: Die neue Entgelttabelle macht die Arbeit für Frauen unrentabel; wir zwingen damit
Frauen zurück an den Herd.

Unsere Antwort: Liebe Frauen und Mütter, bitte legen Sie die aus grauer Vorzeit stammende Ansicht
zu den Akten, dass Sie alleine für die Betreuung der Kinder zuständig und verantwortlich sind. Das
sollten Sie weder innerfamiliär noch in Bezug auf die Finanzierung einer Drittbetreuung sein. Bitte
verrechnen Sie also die Kosten einer Kinderbetreuung nicht allein mit Ihrem persönlichen
Einkommen. Wir sind überzeugt: Eine Erwerbstätigkeit lohnt sich immer. Sie ist gut für Sie als Frau,
da Sie sich damit anderen Anforderungen stellen können als der Kinderbetreuung.
Frauenerwerbstätigkeit ist gut für Ihre Rentenansprüche, über die Sie zu gegebener Zeit mehr als
glücklich sein werden. Frauenerwerbstätigkeit ist gut für Ihre Kinder, die so soziale Kontakte haben
und soziales Miteinander erlernen. Zusätzlich haben diese Kinder unter guten Umständen mit einer
berufstätigen Mutter eine ausgeglichenere und zufriedenere Mutter. Nicht zuletzt ist
Frauenerwerbstätigkeit gut für die Gesellschaft, da unser Arbeitsmarkt dringend auch auf weibliche
Arbeits- und Fachkräfte angewiesen ist – heute mehr denn je.

Liebe Eltern, die SPD bleibt bei dem Langfristziel einer für Eltern kostenfreien Kinderbetreuung, da
wir in ihr erste wichtige und wertvolle Kinderbildung verstehen. Dann jedoch muss das für Bildung
zuständige Land Baden-Württemberg die Finanzierungslücke bei den Kommunen übernehmen. Die
Rede von Finanzbürgermeister Ingo Rust hat Ihnen und uns eindrücklich vor Augen geführt, dass wir
schlichtweg nicht in der Lage sind, eine solche Freiwilligkeitsleistung zu stemmen. Solange das Land
uns also nicht mit kostendeckenden Mitteln ausstattet, stellt sich die SPD-Gemeinderatsfraktion der
gesamtstädtischen Verantwortung für einen ausgeglichenen Haushalt. Denn sollten wir in den vor
uns liegenden Jahren keinen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen können, würde das
Regierungspräsidium unseren Haushalt bewirtschaften – mit nicht gewollten Einschränkungen und
Folgen. Auch hierzu verweise ich auf die eindrückliche Rede von Ingo Rust.

Vor vier Tagen erreichte uns ein sogenannter „Kompromissvorschlag“ des Gesamtelternbeirats.
Darin kündigt er an, dass man eine Familie mit Rechtsschutzversicherung sucht, die mehr als 140.000
EURO im Jahr verdient, um gegen die Gebührenerhöhung zu klagen. Dies ist in einem Rechtsstaat
selbstverständlich völlig in Ordnung. Doch wir sind der klaren Meinung, dass gerade in diesen Zeiten
die starken Schultern mehr tragen müssen als die schwachen.

Konkret und plastisch: Wer über 140.000 EURO verdient, erhält geschätzt monatlich rund 8.000
EURO netto. Das ist das rund Vierfache des Durchschnittseinkommens in Deutschland, das bei rund
1.800 EURO netto liegt. In aller Deutlichkeit: Wer monatlich 8.000 EURO zur Verfügung hat, hat
finanziell sehr starke Schultern und wird zu Recht stärker finanziell belastet als der Durchschnitt.
Noch einmal: Die Lage ist ernst und wir müssen handeln, mutig handeln, wie wir gehört haben. Was
auf die Einzelnen an Mehrbelastung zukommt, halten wir für vertretbar und ausgewogen. Deshalb
stimmt die SPD der neuen Entgelttabelle und allen Antragsziffern mutig zu.

Abschließend: Dank an Amt für Bildung und Betreuung, Herren Berroth und Erbil, für die Moderation
des Arbeitskreises, sowie an die konstruktive Zusammenarbeit im Arbeitskreis, auch unter
Einbindung des GEB.

Christa Müller, Stadträtin

Gemeinderatssitzung, 17. Oktober 2022, TOP 5 „Anpassung der Entgelte für die Benutzung städtischer Kindertageseinrichtungen, die Grundschulbetreuung und für die Essensentgelte ab 01.03.2023“