Rede des Vorsitzenden der SPD-Gemeinderatsfraktion Nicolas Fink MdL in der 2. Lesung zum Doppelhaushalt 2024/2025 vom 13. November 2023 und Haushaltsanträge der SPD-Gemeinderatsfraktion
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Herren Bürgermeister,
werte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
vor dem Rathaus unserer Stadt wehen (ja eigentlich) u.a. die Fahne der Ukraine und die Fahne Israels. Dieses Zeichen der Solidarität ist wichtiger denn je. Denn jüdisches Leben ist wieder bedroht – in Israel, Europa, Deutschland, Baden-Württemberg und ja, auch in Esslingen.
Dass die israelische Fahne in Esslingen mehrfach beschädigt wurde, beschämt uns. Dass sie wieder aufgehängt wird (aufgehangen wurde), zeigt, unsere Solidarität lässt sich -auch symbolisch- nicht brechen!
Warum ist das so wichtig? Am 7. Oktober hat die radikalislamistische Hamas ihren Überfall auf Israel mit Raketenbeschuss begonnen, danach überwand sie Grenzanlagen um den Gazastreifen und drang auf israelisches Staatsgebiet vor. Die Terrororganisation griff im Rahmen dessen gezielt Dörfer und Städte an, verschleppte Geiseln, misshandelte und vergewaltigte wehrlose Zivilistinnen und Zivilisten. Mindestens 1.300 Menschen hat die Hamas brutal getötet: Es wurden mehr Jüdinnen und Juden an einem einzigen Tag ermordet als je zuvor seit der Shoa – und der Terror geht weiter.
In der Öffentlichkeit, in klassischen wie sozialen Medien, brachen bereits kurz nach diesem Angriff weltweit Diskussionen aus. Stimmen wurden laut, die den israelischen Staat für den Terror verantwortlich machen, die Angriffe der Hamas gar als richtigen und notwendigen Widerstand rechtfertigen. Wir stellen uns dem entschieden entgegen: Nichts rechtfertigt diesen Terror. Israel hat das Recht, sich dagegen im Rahmen des Völkerrechts zu verteidigen. Wir müssen jede Gelegenheit -also auch und gerade die Haushaltsplanberatungen hier bei uns- nutzen, um gemeinsam laut und klar zu sagen: „Nie wieder“ ist unsere klare Haltung und „Nie wieder“ ist jetzt!
Und während wir hier in Frieden und Freiheit miteinander über die Themen der Stadt Esslingen beraten, wird in der Ukraine noch immer gekämpft. Putin führt seinen unfassbaren Angriffskrieg noch immer fort. Auch wenn dieser Krieg nicht mehr jeden Abend in Sondersendungen gezeigt wird, er ist immer noch da. Und unsere Solidarität mit der Ukraine haben wir in Esslingen auch dadurch gezeigt, dass wir eine Solidaritätspartnerschaft mit Kamianets-Podilsky eingegangen sind. Das Referat für Städtepartnerschaften füllt dieses Projekt mit großem Engagement mit Leben. Dafür bedanken wir uns ausdrücklich. Wir wünschen uns nun einen Bericht der Referatsleiterin Katrin Radtke im zuständigen Ausschuss. Was wir in guter Absicht begonnen haben, sollten wir nun auch in seiner praktischen Umsetzung begleiten.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Zukunft der Esslinger Innenstadt, Kitabeiträge, Flüchtlingsunterbringung, der Standort der Bücherei, Sanierung von Sporthallen, Neubau von Schulen, kommunale Wärmeplanung – alles unglaublich wichtige Themen. Aber im Vergleich zu dem, was gerade auf dieser Welt passiert, frage ich mich schon, ob wir diese Themen vielleicht weniger monothematisch und mit etwas mehr Gelassenheit diskutieren sollten. Oder klarer formuliert: Wir haben großes Glück, dass wir in Esslingen leben, und wir haben wirklich auch allen Grund zur Dankbarkeit und zur Zuversicht.
Eigentlich eine gute Grundlage um mutig und mit frischen Ideen unsere Stadt noch besser zu machen. Dass dies geht, hat unser Oberbürgermeister mit seinen Vorschlägen zur Zukunft der Innenstadt bewiesen. Herausforderungen, wie den Rückgang des klassischen Einzelhandels, nicht einfach nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern darin eine Chance für die Neugestaltung unserer Stadt zu sehen. Mutig und kreativ – so wünschen wir uns die Kommunalpolitik. Gut, Herr Oberbürgermeister, dass Sie dies vorleben. Unsere Unterstützung haben Sie dabei, und das gilt auch für die Vorschläge zur Neuordnung der Innenstadt. Der Chefredakteur der Esslinger Zeitung Johannes Fischer hat hierzu in seinem Kommentar übrigens die beste Formulierung gefunden. Ich zitiere: „Ob die Vorschläge eine Chance auf Verwirklichung bekommen, ob sie, einmal konkretisiert, eine Mehrheit finden, wird sich zeigen. Natürlich gibt es viele Detailfragen, die solche Einfälle schnell mal scheitern lassen können. Was aber nicht geschehen sollte: Diese Idee gleich mal abzubügeln, und sei es nur deshalb, weil es nicht die eigene ist.“
Noch ein paar Worte zur Stadtbücherei: Wie auch immer die Diskussion dazu in nächster Zeit verlaufen wird, die SPD kann verstehen, dass die jahrelange Hängepartie auch zu Frust bei einzelnen führt. Wir müssen deshalb -bei aller Gründlichkeit- die Hängepartie baldmöglichst beenden. Was wir nicht beenden möchten: Die Fortführung des Bürgerdialogs, wie wir ihn bei unserem Stadtgespräch vor zwei Wochen erfolgreich praktiziert haben. Reden, prüfen, entscheiden und vor allem umsetzen – das ist gerade auch in diesem Fall die Devise.
Zur Attraktivität unserer Innenstadt leistet auch der Marktplatz einen wichtigen Beitrag. Aus Sicht der SPD leistet er sogar einen entscheidenden Beitrag. Und deshalb gilt: Der Marktplatz muss schöner werden! Diese Erkenntnis haben wir nun wahrlich nicht exklusiv. Wie bei vielen anderen Themen in unserer Stadt haben wir also kein Erkenntnisproblem, sondern wir kommen nicht oder zu spät ins Handeln. Deshalb stellen wir einen entsprechenden Antrag, der schon im Jahr 2024 den Einsatz mittelfristig geplanter finanzieller Mittel zur Sanierung und Aufwertung fordert des Marktplatzes – beispielsweise mit mehr Wasser und mehr Bäumen und weniger Autos.
Sehr geehrte Damen und Herren, zur Erreichbarkeit der Innenstadt hat auch das Stadtticket seinen Beitrag geleistet. Als Teil des Konsolidierungspakets haben wir die Abschaffung mit beschlossen. Und um das deutlich zu sagen: Wir stehen weiterhin grundsätzlich für diesen gemeinsamen Weg. Aber wir müssen feststellen, kein anderes Thema aus diesem Paket hat die Menschen in Esslingen stärker beschäftigt, auf keine andere Maßnahme wurden wir öfter angesprochen und ja, die Abschaffung widerspricht auch unserem ehrgeizigen Handeln beim Klimaschutz und der Mobilitätswende. Wir müssen feststellen: Die Abschaffung des Stadttickets war ein Fehler, den wir korrigieren wollen. Und um den unpopulären Teil gleich zu erwähnen: Zur Gegenfinanzierung schlagen wir die Anhebung und die Ausweitung des Anwohnerparkens vor.
Zu den Themen, die ebenfalls schwierig sind, gehört zweifellos die Unterbringung von Geflüchteten in unserer Stadt. Die Grundprinzipien sozialdemokratischer Asyl- und Geflüchtetenpolitik sind klar und unverrückbar: Die SPD bekennt sich uneingeschränkt zum individuellen Recht auf Asyl und Schutz für von Verfolgung bedrohte Menschen. Menschenrechte sind nicht verhandelbar!
Jeder Mensch, der nach Baden-Württemberg flüchtet, hat Anspruch auf rechtsstaatliches Asylverfahren. Genau so gilt: Jeder Mensch, der nach Baden-Württemberg flüchtet, muss sich an die Gesetze und Regeln halten, sich einbringen und seinen Teil zum Gelingen des friedlichen und solidarischen Zusammenlebens in unserem Land beitragen. Auch die konsequente Umsetzung bei einer vorhandenen Ausreisepflicht ist Teil des Rechtsstaatsprinzips.
Zur Solidarität gehört übrigens auch, dass alle Kommunen ihren Beitrag zur Bewältigung dieser Aufgabe leisten. Die Menschen in der Pliensauvorstadt empfinden es zurecht als ungerecht, dass dort nun eine sehr große Unterkunft entsteht, während in anderen Teilen des Landkreises weiße Flecken scheinen. Deshalb gilt für alle Ebenen: Es ist jetzt die Zeit zu Handeln und nicht die Zeit für Placebos, wie z.B. Anträgen zum Thema „Sicherer Hafen“. Wir brauchen deshalb jetzt auf allen Ebenen einen Pakt für eine menschliche, gut organisierte und geordnete Migrationspolitik. Als Sozialdemokrat:innen reichen wir deshalb allen demokratischen Kräften auf jeder staatlichen Ebene die Hand, die Herausforderung, die sich uns stellt, gemeinsam zu lösen. Deshalb verweise ich an dieser Stelle auch nicht ausführlich auf die Landeszuständigkeit z.B. beim Thema Erstaufnahme, Sachleistungen und Abschiebungen, auch wenn einzelne gerade bei diesem Thema entdecken, dass Esslingen eine „linke Stadtspitze“ hat.
Nur, wenn alle staatlichen Ebenen an einem Strang ziehen, sich der gemeinsamen Verantwortung bewusst sind und ihre Arbeit nahtlos ineinandergreift, kann die Fluchtmigration ohne weitere soziale Verwerfungen bewältigt werden. Das gegenseitige Zuschieben von Verantwortung ist nicht zielführend und trägt nur weiter zur Verunsicherung bei. Um so stärker fanden wir das Signal, dass Sie Herr Oberbürgermeister -trotz nicht vorhandener Zuständigkeit- sich gemeinsam mit dem Landrat der Diskussion mit der Bürgerschaft in der Pliensauvorstadt gestellt haben. Diese direkte Kommunikation und die damit verbundene Transparenz wünscht sich die SPD-Fraktion auch weiterhin.
Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, auch wenn die globalen Herausforderungen und ihre Auswirkungen auf unsere Stadt uns momentan besonders beschäftigen (und deshalb auch meine bisherige Rede dominiert haben), so vergessen wir auch nicht unsere kommunalen Kernaufgaben. Ein paar davon möchte ich kursorisch ansprechen:
- Der Bereich, der der SPD besonders wichtig ist, ist und bleibt Bildung und Betreuung. Ein Drittel unseres Haushalts wenden wir hierfür auf. Aus unserer Sicht ist das gut und richtig. Investitionen in Schulen und Kitas sind für uns weiterhin die absolute Priorität.
- Die Folgen des Klimawandels sind sichtbar und sie sind spürbar. Deshalb dürfen wir in unseren Anstrengungen auch nicht nachlassen. Auch hier gilt: An Konzepten fehlt es nicht, wir müssen aber endlich ins Handeln kommen.
- Wir sind durchaus stolz auf den knappen aber sehr richtigen Beschluss, dass der ÖPNV im Stadtgebiet komplett städtisch und komplett elektrisch betrieben wird. Damit sind wir wirklich deutschlandweit spitze. Wir freuen uns sehr auf die konkrete Umsetzung, und empfehlen diese Freude auch allen Mitgliedern des Gemeinderats!
- Wir investieren richtigerweise auch in Straßen und Wege. Die vorhandenen Haushaltsmittel im Doppelhaushalt sind durchaus beachtlich. Wir wünschen uns, dass sie möglichst auch komplett verbaut werden.
- Von hoher Bedeutung ist für uns auch die lebendige Esslinger Kulturszene. Gerade in Zeiten der globalen Krise kommt der Kultur eine besondere Bedeutung zu. Wir sind zurecht stolz auf die Leuchttürme der Esslinger Kultur. Für eine lebendige kulturelle Szene braucht es aber nicht nur Leuchttürme, sondern auch Laternen, die in Summe oftmals heller leuchten als mancher Leuchtturm. Hier erkennen wir für uns durchaus eine gewisse Fürsorgepflicht.
- Zum sozialen Zusammenhalt trägt auch der Sport einen großen Teil bei. Die Sanierung der Schelztorsporthalle ist deshalb für uns nicht nur erfreulich, sondern zwingend notwendig.
- Richtig gut investiert sind die Gelder auch in die Zukunftsfähigkeit unseres Klinikums. Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir von den Balkonen für das Pflegepersonal applaudiert. Auch außerhalb dieser Krisenzeit sind wir dankbar für das engagierte Klinikpersonal, und ja, wir sind durchaus stolz auf unser städtisches Klinikum.
- Die Umsetzung aller politischen Ideen, aber auch die Erfüllung unserer Pflichtaufgaben geht nur mit engagiertem und qualifiziertem Personal. Die SPD unterstützt deshalb alle Maßnahmen, die die Stadt als attraktive Arbeitgeberin in der Region weiterhin gut positionieren.
Keinen Fachkräftemangel haben wir zum Glück an der Spitze unserer Finanzverwaltung.
Die SPD-Fraktion bedankt sich an dieser Stelle bei Herrn EBM Rust und bei Frau Strohbach und ihrem gesamten Team für die immer angenehme und professionelle Zusammenarbeit – nicht nur wenn es um Haushaltsplanberatungen geht. Den Dank für professionelle Zusammenarbeit richten wir auch an den Großteil des Gemeinderats. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir trotz unterschiedlicher Positionen im Regelfall vertrauensvoll und respektvoll zusammenarbeiten, ist nicht selbstverständlich. Das sollten wir auch in den Monaten vor der Kommunalwahl nicht ändern.
Ich fasse zusammen: Ja, wir leben in schwieriger Zeit! Aber wir leben auch in Esslingen, und das ist beides: ein Grund zur Dankbarkeit und ein Grund zur Zuversicht. Natürlich steht auch unsere Stadt in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Gemessen an dem, was es anderswo an Problemen gibt, sind sie jedoch klein. Auf jeden Fall können wir sie bewältigen, wenn wir uns ihnen miteinander stellen, trotz aller Unterschiede in der gleichen Richtung an einem Strang ziehen und die Sache nicht kleingläubig, sondern mutig und voller Optimismus angehen. ‚Niemand von uns kann so viel bewirken wie wir alle miteinander‘, habe ich kürzlich als Zitat von Elie Wiesel gelesen. Die SPD bietet dieses Miteinander auch für die Zeit vor und nach der Kommunalwahl an. Und sie schließt ihre Stellungnahme zum Doppelhaushalt 2024/25 mit einem Hinweis auf das ab, wofür wir uns auch in der Esslinger Kommunalpolitik stark machen sollten – den Frieden. Kofi Annan hat einmal gesagt: „Wirklicher Friede bedeutet auch wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit, bedeutet Schutz der Umwelt, bedeutet Demokratie, Vielfalt und Würde und vieles, vieles mehr.“
Lassen Sie uns dafür auch in Esslingen jeden Tag eintreten! Besten Dank!