Grußwort der SPD bei der Eröffnung der Grundgesetzausstellung am 27. September 2024 im CVJM-Lutherbau in Esslingen am Neckar – gesprochen von Andreas Koch
Liebe Gäste dieser Ausstellungseröffnung,
das Grundgesetz und mit ihm Artikel 5 zur Pressefreiheit ist mir zum ersten Mal in Gestalt eines ziemlich stattlichen Mannes, genauer gesagt als Buch über diesen Mann begegnet. Es stand im Bücherregal meiner Eltern, und dort weit links. Das war politisch nicht korrekt: Besagte barocke Erscheinung war zwar SPD-Mitglied, aber kein Linksaußen. Gleichwohl hat die hervorgehobene Platzierung im elterlichen Bücherschrank meine Neugierde geweckt und mich nach dem Wer, Wie, Was, Wo und Warum fragen lassen. Die Antwort der Eltern lautete: „Das ist Carlo Schmid. Carlo Schmid war einer der Väter des Grundgesetzes.“ Aha!
Heute nun darf ich ein Grußwort zur Eröffnung dieser Grundgesetzausstellung hier beim Esslinger CVJM sprechen. Dass ich dabei das Stichwort „Pressefreiheit“ kurz in den Mittelpunkt rücken möchte, passt, denke ich, gut. Zum einen habe ich selber eine Redaktion geleitet. Zum andern waren, solange diese Freiheit nicht förmlich verbrieft war, der herrscherlichen Zensur Tür und Tor geöffnet, und keine andere Partei hat darunter so gelitten wie die SPD unter den so genannten Sozialistengesetzen von Otto von Bismarck. Durch sie wurden unter anderem sozialdemokratische Zeitungen und Zeitschriften verboten.
Es kam, wie wir wissen, in den Folgejahren noch schlimmer, ehe dann zwei Weltkriege und Millionen von Toten später am 23. Mai 1949 mit der Veröffentlichung des Grundgesetzes auch die so genannten Grundrechte publiziert wurden, unter ihnen in Artikel 5 die unverbrüchliche Pressefreiheit:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
An diesen Worten mitgefeilt hat besagter Carlo Schmid. Er liegt übrigens in Tübingen begraben.
Was aber ist Pressefreiheit? Der Journalist und Kolumnist Heribert Prantl erzählt: „Als in den ersten Tagen der deutschen Demokratie, im Jahr 1832, die Regierung des bayerischen Königs die Druckerpresse des Journalisten und Verlegers Philipp Jakob Siebenpfeiffer versiegelte, verklagte dieser Demokrat die Regierung mit dem Argument: Das Versiegeln von Druckerpressen sei genauso verfassungswidrig wie das Versiegeln von Backöfen. Das ist ein wunderbarer Satz, weil darin die Erkenntnis steckt, dass Pressefreiheit das tägliche Brot ist für die Demokratie.“
Das zum einen. Und zum andern: Wenn der Pressefreiheit tatsächlich eine so hohe Bedeutung für unsere Gesellschaftsordnung zukommt und sie quasi Verfassungsrang hat, dann tragen auch die Journalisten eine besondere Verantwortung. Alternative Fakten und Fake News haben auf ihren Schreibtischen nichts zu suchen und verpflichtet sind sie nur einem, nämlich der Wahrheit beziehungsweise dem, wie es wirklich war. Heribert Prantl zum Zweiten: „Es ist nicht Aufgabe eines politischen Journalisten, Partei für eine politische Partei zu ergreifen. Ein Journalist braucht keine Partei, er braucht Haltung. Guter Journalismus wahrt Distanz und misst seine Güte nicht daran, wie viele Politiker zu seinem Geburtstag kommen.“
Schließlich: Pressefreiheit bedeutet auch, dass man die Freiheit hat, dieses oder jenes oder auch gar nichts zu lesen, anzuschauen oder anzuhören. Aber eines möchte ich uns schon noch mit auf den Weg geben: Hart erkämpft wie die Pressefreiheit nun mal ist, sollten wir das Beste aus ihr machen. Verachtet mir dabei auch die gute alte Lokalzeitung nicht! Was wir an ihr haben, verstehen wir wohl erst, wenn es sie nicht mehr gibt
Zurück zu Carlo Schmid, zurück zum Grundgesetz als Ganzem, zurück zu Artikel 5 im Besonderen, zurück zu der Möglichkeit, namens der SPD ein Grußwort zu sprechen! Und ich darf doch sicher auch um Gottes Segen für die Ausstellung bitten und noch einmal Heribert Prantl zitieren: „Pressefreiheit ist menschenfreundlich, nicht menschenfeindlich. Pressefreiheit ist eine empathische Freiheit. Sie gibt der Demokratie Schwung.“
PS: Deutschland liegt im Ranking der Pressefreiheit weltweit auf Platz 10. Es gibt also schon noch was zu tun beim Grundgesetzartikel Nr. 5.